Gastbeitrag

Wir freuen uns sehr über den Gastbeitrag von Daniel – unser persönlicher Indonesien- Experte. Vor unserer Reise haben wir zahlreiche tolle Tipps von Ihm bekommen. Ihr findet Daniel bei Instagram als @saarlandgroundhopping – schaut unbedingt mal vorbei.

Sepakbola di Indonesia – Fußball in Indonesien

Mittlerweile ist „Indo“ ja nicht mehr wirklich ein Geheimtipp unter den Fußballreisenden. Immer öfter liest man von verschiedenen Touren von sogenannten Groundhoppern im Internet oder in den bekannten Publikationen in Papierform. Besonders hervorheben möchte ich das Indonesien-Spezial von Marten Becker im Erlebnis Fussball #78. Starkes Ding. Ich ziehe meinen imaginären Hut! Die dort veröffentlichten Berichte lieferten auch die ein oder andere Informationen für diesen Text, trotzdem versuche ich nicht einfach eine „billige“ Kopie hier abzuliefern. Überschneidungen werden aber vermutlich nicht vermeidbar sein. Bevor ich zu meinen persönlichen Erfahrungen mit dem indonesischen Fußball komme, will ich euch zunächst noch einige allgemeine Infos mit auf den Weg geben.

Der Sepakbola (indonesisch für Fußball) erhielt durch die lange Kolonialherrschaft der Holländer Einzug in das südostasiatische Land. Etwa gegen Ende des 18. Jahrhunderts fing man an gegen die Murmel zu treten. Die ersten Provinzmeisterschaften wurden ab 1914 ausgespielt. Zu dieser Zeit bestand der Großteil der Mannschaften aus Europäern, aber auch einige wenige gemischte Teams mit Spielern indonesischer Herkunft waren zu finden. 15 Jahre vor der Unabhängigkeit Indonesiens, im Jahre 1930, gründete sich der indonesische Fußballverband Persatuan Sepakbola Seluruh Indonesia, kurz PSSI. Zu den sieben Gründungsvereinen zählen: Persija Jakarta, Persib Bandung, PSIM Yogyakarta, Persis Solo, PSM Madium, PPSM Magelang und Persebaya Surabaya. 1994 fusionierten die halbprofessionelle Liga Sepakbola Utama mit der Amateurliga Perserikatan zur ersten Profiliga Indonesiens, genannt Liga Indonesia. In Folge wurde hier und da immer wieder etwas an der Art des Spielbetriebes rumgebastelt, im Groben lief aber für indonesische Verhältnisse alles sehr entspannt ab. Bis zum Sommer 2015 jedenfalls. Aufgrund Einmischung der indonesischen Regierung suspendierte die FIFA den PSSI mit sofortiger Wirkung und die Liga wurde auf unbestimmte Zeit ausgesetzt. Rund ein Jahr später wurde die Suspendierung durch Gianni Infantino wieder aufgehoben. Dennoch ging es danach eher schleppend weiter. Dieser Umstand gestaltete dann auch meine Fußballplanungen während meinem ersten Indonesienbesuch im Herbst 2016 recht schwierig.

Während meines längeren Auslandsaufenthaltes in den Jahren 2015 & 2016 weilte ich für ziemlich genau zwei Monate in Indonesien. Natürlich sollte dabei mindestens ein Spiel besucht und somit der Länderpunkt eingetütet werden. Aufgrund den oben bereits angesprochenen Umständen und Entwicklungen im indonesischen Fußball war dieses Vorhaben leider nicht so einfach wie gedacht. Ich war schon kurz davor mich damit abzufinden ohne neuen Länderpunkt die Reise fortzusetzen, als ich mehr oder weniger durch Zufall auf das Zweitliga-Spiel zwischen PSIM Yogyakarta und PSCS Cilacap gestoßen bin. Ohne groß zu überlegen wurde die Reiseroute etwas angepasst und nachdem ich von offizieller Seite eine Bestätigung hatte war die Freude selbstverständlich groß. Die Partie wurde allerdings nicht in der angestammten Heimat von PSIM, dem Stadion Mandala Krida, sondern im Stadion Sultan Agung in der 10km südlich von Yogya gelegenen Ortschaft Bantul ausgetragen. Grund des Umzugs waren mittlerweile abgeschlossene Renovierungsarbeiten. Am Spieltag selbst wurden morgens noch einige der vielen Sehenswürdigkeiten der Stadt genauer unter die Lupe genommen, ehe es per Taxi in Richtung Stadion ging – damals hab ich meinen mittlerweile doch recht guten Rollerskills noch nicht so wirklich über den Weg getraut. Auf der Strecke selbst dann schon ordentlich Fans unterwegs. Ob mit Fahnen auf dem Roller, in Minibussen oder auf der Ladeflächen der LKWs, alles war dabei. Der Verkehr nahm je näher wir dem Stadion kamen auch immer mehr zu und die letzten Meter ging es zu Fuß weiter. Während die meisten Einheimischen auf der Zufahrt zum Stadionparkplatz von mehreren Polizisten mit Bambusstöcken kontrolliert wurden durfte man als „Bule“ ohne weiteres passieren. Um das Stadion natürlich schon jede Menge Gewusel und vor allem die enorme Ansammlung an Rollern faszinierte mich damals sehr. Im Vorfeld hatte ich Kontakt mit den Brajamusti aufgenommen, da ich wegen dem Fotografieren gerne das Spiel aus dem Innenraum verfolgen wollte. Natürlich alles sehr unbürokratisch und ohne Probleme durfte ich den Innenraum durch die Haupttribüne betreten.

Als „Brajamusti“ bezeichnen sich übrigens die Supporter von PSIM, zumindest der größte Teil von ihnen. Es gibt noch eine zweite Gruppe oder Organisation mit dem Namen „The Maident“, aber dazu später noch etwas mehr. Brajamusti ist eine Art Dachverband der einzelnen Fanclubs aus den verschiedenen Stadtteilen oder Provinzen. Fanclubs werden meistens „Laskar Mataram“ plus Name des Stadtteiles etc. genannt. Generell hat die Fankultur in Indonesien einiges zu bieten und die Anhänger sind extrem fanatisch. Das Thema Gewalt spielt vielerorts auch eine nicht so geringe Rolle, gerade bei den großen Derbys zwischen Persib Bandung und Persija Jakarta kam es schon mehrfach zu Todesfällen. In Indonesien unterscheidet man außerdem zwischen zwei verschiedenen Ausrichtungen der Unterstützung für den Verein. Die traditionelle Art des Supports wird als MANIA bezeichnet. Hierbei geht es weniger organisiert zur Sache und auch meistens findet man keinen Vorsänger vor oder in der Kurve. Die Gesänge werden in Bahasa oder sogar in provinziellen Dialekten zum Besten gegeben. Zudem besteht der Kleidungsstil der Fans hierbei aus den klassichen Flip-Flops, sowie Klamotten des Vereins oder zumindest in Vereinsfarben. Im krassen Gegensatz dazu steht die indonesische Variante des ULTRA-Gedanken. Hier wird sehr auf Casual gesetzt und auch bestimmte Regeln erhielten durch die Ultras Einzug in die Stadien Indonesiens. So wird zum Wohle des eigenen Vereins in den meisten Fällen auf Pyrotechnik verzichtet um den ohnehin schon nicht mit Geld gesegneten Vereinen Unsummen an Verbandsstrafen zu ersparen. Wenn dann doch mal Fackeln angerissen werden, geschieht dies nach Abpfiff des Spiels bei Erklingen der jeweiligen Vereinshymne. Das beliebte „Ins-Stadion-schmuggeln“ wurde durch die „No-Ticket – No-Game“-Regel auch so gut wie untersagt. Das Liedgut orientiert sich natürlich sehr am Europäischen oder auch Südamerikanischen, dennoch schaffen es die Fanszenen in Indonesien immer noch eine eigene Note beizusteuern und nicht wie ein billiger Abklatsch rüber zukommen.

Zurück zum Spiel in Bantul. Etwa eine halbe Stunde vor Anpfiff stand ich nun also im Stadion und somit kurz vor meinem ersten Spiel auf indonesischem Boden. Ein paar Worte noch zum Ground. Das Stadion Sultan Agung bietet Platz für 35.000 Personen und wurde im Jahr 2004 erbaut. Die Haupttribüne ist überdacht und freistehend. Der Rest besteht aus etwa 20 großen, unüberdachten Betonstufen, welche blockweiße in verschiedenen Farben angepinselt sind und ohne Sitze daherkommen. Zu Spielbeginn war das Stadion noch recht leer, was sich jedoch im Laufe der ersten Halbzeit ändern sollte und wie ich bei späteren Spielbesuchen feststellen sollte auch normal zu sein scheint. Letztendlich fanden sich rund 20.000 Leute zum Spiel hier ein. Über den Spielverlauf kann ich leider nichts mehr berichten, da hatte ich mir wohl keine Notizen gemacht oder diese sind nicht mehr auffindbar. Aber aufgrund des Ergebnisses von 3:1 für PSIM gehe ich einfach mal davon aus, dass diese auch die bessere Mannschaft waren. Selbstverständlich achteten meine Augen aber auch mehr auf die Kurve der Brajamusti. Nachdem diese ordentlich gefüllt war, war ich schon echt geflasht von dem Dargebotenen. Angestachelt von einem Capo auf dem Podest und mehreren Trommeln legten die Jungs und Mädels eine flotte Sohle aufs Parkett. Sehr geil fand ich vor allem den Wechsel von melodischem Text zu den Klatscheinlagen. Das fetzte schon gut, auch ohne Dach über den Kopf. Eben hatte ich schon eine Gruppe mit dem Namen The Maident angesprochen. Das Verhältnis zu den Brajamusti scheint wohl nicht das Beste zu sein und so gab es während des Spiels insgesamt drei Angriffe bzw. versuchte Angriffe auf die in klarer Unterzahl agierenden Leute von The Maident. Der erste erfolgte sobald diese ihre Zaunfahnen an den Zaun hingen, danach noch einmal in der Halbzeit und einmal nach dem Spiel. Bei allen drei Aktionen setzten sich an die 100 oder mehr Jungs der Brajamusti über die Tribüne oder die Laufbahn in Richtung des Feindes in Bewegung. Zum direkten Kontakt kam es aber aufgrund der passiven Haltung der kleineren Gruppe und der Trennzäune nicht. Auch die Polizei agierte sehr entspannt und wartete erstmal ab was noch so passiert ehe der Bambusstock und etwas Gas eingesetzt wurde. Verletzte gab es sowohl auf Seiten der Polis als auch bei den Brajamusti zu beklagen. Wie ich dann später von einigen Jungs der Brajamusti erfahren habe, geht es bei der Abneigung nicht nur um unterschiedliche Ansichten im Stadion sondern auch um diverse Geschäfte in den verschiedenen Stadtvierteln.

Die Gäste aus Cilacap, einer Hafenstadt an der Südküste Javas und etwa 150km westlich von Yogyakarta gelegen sollen natürlich auch noch kurz erwähnt werden. Ein paar Hundert werden es gewesen sein, die die für indonesische Verhältnisse kurze Strecke zurückgelegt haben. Während des Spiels wurden sie kaum wahrgenommen, dafür umso mehr nach dem Schlusspfiff, als diese in den Innenraum sprangen und zusammen mit den Fans von PSIM feierten. Ob da jetzt eine Freundschaft besteht konnte ich leider nicht in Erfahrung bringen. Das gemeinsame Singen der Vereinshymne von Mannschaft und Fans stellt den Schlusspunkt meines ersten Spielbesuches in Indonesien dar. Inzwischen hatte es auch angefangen monsunartig zu regnen und es wurde noch über eine Stunde vor der Haupttribüne gechillt und gewartet bis es wieder Richtung Yogya gehen sollte. Als der Regen sich verzogen hatte wurde ich netterweise von einem Mitglied der Brajamusti im Auto mitgenommen und so ergaben sich noch interessante Gespräche bevor ich den Abend zufrieden über den Länderpunkt aber auch noch leicht überfordert von den vielen gewonnen Eindrücken den Abend in der Unterkunft bei einigen Bintang-Bieren ausklingen lies.

Mittlerweile kamen noch vier weitere Spielbesuche in Indonesien dazu, aufgeteilt auf zwei unterschiedliche Reisen im vergangenen Jahr. Im Mai/Juni verbrachte ich knappe vier Wochen im Lande und konnte dabei jedoch nur ein einziges Spiel auf Bali besuchen. Zu Gast beim Ligaprimus und späteren Meister Bali United war Persija Jakarta aus der Hauptstadt. Eigentlich geplant hatte ich noch mindestens zwei Spiele mehr, diese wurden aber leider alle mega ungünstig verschoben oder gar komplett abgesagt. Generell ist auf den Rahmenspielplan oder auf die späteren Ansetzungen herzlich wenig Verlass. War im Endeffekt dann auch nicht so tragisch, da ich somit die volle Zeit auf Bali verbrachte und durch schon länger bestehende persönliche Kontakte vor Ort etwas in das „Local-Life“ eintauchen konnte. Auch blieb mir dadurch die nötige Zeit, die eher untouristischen Flecken der Insel kennen und lieben zu lernen. Besonders das beschauliche Amed an der Nordostküste ist ein krasser Gegensatz zum völlig überlaufenen Süden rund um Kuta, Legian, Seminyak und dem Hipsterparadies Canggu.

Gegen Jahresende hatte ich noch etwas Resturlaub auf der Habenseite und relativ spontan machte ich mich erneut auf den Weg nach Südostasien. Zweieinhalb Wochen Indonesien inklusive ein paar Tage in der malayischen Hauptstadt Kuala Lumpur standen auf der Agenda. Dieses Mal erhoffte ich mir natürlich eine deutliche bessere Ausbeute an Spielen als noch im Sommer. Während der kurzen Planungsphase stellten sich die Instagram-Kanäle der entsprechenden Vereine oder Fangruppierungen als bestmöglichste und zuverlässigste Informationsquellen heraus. Kurz und knapp: Drei Kicks waren fest eingeplant und alle fanden auch zu den besagten Zeiten und an den besagten Orten mit meiner Anwesenheit statt. Im dritten Anlauf klappte es also endlich mit dem Heimspielbesuch von PS Sleman und der bekannten Brigata Curva Sud. Es sollten keine Wünsche offen bleiben. Das Spiel von Persija Jakarta im an die Hauptstadt angrenzenden Bekasi gegen PS Tira Persikabo und der anschließende Abend in netter Gesellschaft mit Mitgliedern der Jakmania bleiben ebenso in allerbester Erinnerung. Danke für die Gastfreundschaft.

Abschließend lässt sich also durchaus sagen, dass Indonesien jede Menge zu bieten hat, ob in den Stadien des Landes oder abseits des runden Leders. Ein Besuch lohnt sich also in jeglicher Hinsicht.

Hati Hati!

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